Lipinskis’s rule of five ist eine Faustregel für die Ermittlung der oralen Bioverfügbarkeit von chemischen Verbindungen. Die Regel wurde 1997 von dem Chemiker Dr. Christopher A. Lipinski aufgestellt. Lipinski fungiert als wissenschaftlicher Berater und ist Mitglied des SAB Collaborative Drug Discovery. Bis zu seiner Pensionierung 2002 war er für den Pharmakonzern Pfizer tätig.
Die 5er Faustregel basiert auf der Tatsache, dass diverse Arzneimittel aus kleinen und lipophilen (fettlöslichen) Molekülen bestehen. Mit der Regel lässt sich feststellen, welche Arzneimittel eine gute Bioverfügbarkeit haben und sich folglich für die orale Medikamentengabe eignen. Bei der Bewertung der oralen Bioverfügbarkeit von chemischen Substanzen werden verschiedene Einflussfaktoren berechnet, deren Ergebnisse Zahlenwerte ergeben. Diese betragen gleich fünf oder ein geradzahliges Vielfaches von fünf. Daher stammt der Name "RULE OF FIVE".
Bedingungen für eine gute orale Bioverfügbarkeit
- Nicht mehr als 10 Akzeptoren von Wasserstoffbrückenverbindungen, wie Sauerstoff- oder Stickstoffatome, wobei man unter Akzeptoren Reaktionsgeber versteht, die Ionen, Elektronen, Protonen oder Atome vom Donator empfangen.
- Nicht mehr als fünf Donatoren von Wasserstoffbrückenverbindungen (z. B. OH- und NH-Gruppen), d. h. Moleküle, die bei einer chemischen Reaktion Elektronen oder Ionen abgeben.
- Eine Molekülmasse von bis zu 500 Dalton. Dabei handelt es sich um eine atomare Maßeinheit, die etwa der Masse eines Wasserstoffatoms entspricht.
- Einen Verteilungskoeffizient (log P-Wert) zwischen Oktanol, also primärem Alkohol, und Wasser von maximal 5. Der Wert kann gemessen oder berechnet werden.
In Bezug auf die Bedingungen bleibt festzuhalten, dass eine Wasserstoffbrückenverbindung, auch H-Brücke genannt, als spezielle Form des Molekül-Zusammenhalts gilt, bei der die Anbindung weniger stark als bei einer kovalenten oder ionischen Verbindung ist. Die Verbindungen führen im Verhältnis zur molaren Masse zu einem hohen Siede- und Schmelzpunkt.
Anwendung der 5er-Faustregel
Die Anwendung der Faustregel gilt ausschließlich für oral eingenommene Arzneimittel, die ohne Transporter im Darm aufgenommen werden. Damit die chemischen Substanzen in Form von oral verabreichten Arzneimitteln ihre Wirkung entfalten, muss der Körper die Bestandteile in ausreichender Menge aufnehmen können (Bioverfügbarkeit). Diese Aufnahmefähigkeit ist vorrangig von der Größe der Moleküle und Lipohilie sowie von dem entsprechenden Dissoziationsgrad bzw. Ionisationsgrad abhängig.
Lipinski’s rule of five gilt aufgrund von Ausnahmen bei der Anwendung der Regel zwar nicht als allgemeine Bemessungsgrundlage, in der Entwicklungsphase von Arzneimitteln hat der Ansatz jedoch einen hohen Stellenwert. Das liegt daran, dass die Erforschung von Arzneimitteln ohne Bioverfügbarkeit unter Berücksichtigung der Faustregel direkt abgeschlossen werden kann. Somit ist es möglich, die Entwicklungswege schneller und effizienter zu gestalten.
Unterschied zwischen Stoffen mit guter und ohne Bioverfügbarkeit
Eine gute Bioverfügbarkeit ist ein pharmakologisches Maß für den Anteil oral verabreichter Wirkstoffe, die durch den Blutkreislauf unverändert bis zum Wirkungsort gelangen. Dabei müssen die Stoffe den Darm, die Pfortader und die Leber passieren, um den großen Blutkreislauf zu erreichen.
Nicht bioverfügbare Stoffe können einem Patienten nur per direkter Infusion oder Injektion in den Blutkreislauf verabreicht werden (z. B. Taxane als natürlich vorkommende Zytostatika). Sie lösen sich im Gastrointestinaltrakt nur schlecht auf und werden vor der Erreichung einer ausreichenden Plasmakonzentration metabolisiert.